Miss Mac Sinclair
Stille, von der nächtlichen Vollkommenheit verführt, sitzt wie in so vielen Nächten vor, und heute Nacht zum aller letzten Mal, auf der Stadtmauer von York eine schwarze Katze, einsam aber doch von Elgars Opius 85 begleitet.
Die Luft flüstert kühl und trägt die ersten Boten von Frost. Aus einem offenen Fenster leuchten kühne Cellotöne, die die erfrorene Gestalt auf der Mauer aufhellt. Erfüllt von seligen Samtliebe, lullt sich, murrt sich, kuschelt sich die Katze in die Musik hinein und sehnt sich nach der zarten Brust der jungen Cellistin. Die Vorstellung dort für eine Nacht oder für die Ewigkeit zu verweilen, wärmt sie bis zum Morgengrauen. Alle diese Nächte, die sie hier, auf der Stadtmauer von York, verbracht hat, haben sich wie gesegnete Schneeflocken eines echten Lebens angefühlt. Wie winzige Wünsche in den schönsten Seidenwolken liebevoll eingepackt, die die Schwarze sich nie erlauben würde, zu öffnen, nicht mal zu berühren. Allein nur der Gedanke daran wäre fatal. Sie traut sich nicht mal in die Nähe, das Mädchen soll leben, den Nächten milchweiße Töne verschenken, wie ein Frühlingsbach, unwissend von Tod und Endlosigkeit, ein Leben lang.
Die Katze geht.
Schwarze Katze, ewiger Nachtwanderer, auch in dieser Nacht wird gewandert.
In den frühen Morgenstunden, wenn die Straßen noch menschenleer sind, geht Miss Mac Sinclair mit raschen Schritten durch das Stadttor. Der Neuschnee legt sich über die Stadt und wischt alle Spuren verschwundener Leben aus.